Naturschutz und Biodiversität: Die Gefährdung am Beispiel Chall

Das Gebiet rund um den Chall ist ein einzigartiger Naturraum, der viele seltene und bedrohte Tier- und Pflanzenarten beherbergt. Der Bau und Betrieb eines gigantischen Windkraftwerkes würde diese Arten und die Vielfalt massiv beeinträchtigen und mit grosser Wahrscheinlichkeit teilweise oder vollständig und unwiederbringlich zerstören. Dadurch verlieren wir und alle nachfolgenden Generationen die Möglichkeiten, über die faszinierende Natur am Chall zu staunen und immer wieder Neues zu entdecken. Der Chall würde sich zu einer industriell genutzten leblosen Einöde entwickeln.

Einzigartiger Wanderfalkenstandort

Der Wanderfalke ist mit deutlich über 200 km/h der schnellste Raubvogel der Welt. Er jagt hauptsächlich andere Vögel. Seit ca. 1990 erholten sich die Bestände in der Schweiz auch dank der Juraschutzzonen wieder.
Der Wanderfalke ist mit deutlich über 200 km/h der schnellste Raubvogel der Welt. Er jagt hauptsächlich andere Vögel. Seit ca. 1990 erholten sich die Bestände in der Schweiz auch dank der Juraschutzzonen wieder.

Rund um den Chall sind drei Brutstandorte des seltenen und streng geschützten Wanderfalken bekannt. Der mit Abstand produktivste in der Schweiz bekannte Brutplatz liegt dabei in unmittelbarer Nähe des geplanten Windkraftwerkes. Das zugehörige Jagdrevier liegt rund um den Chall. Seit 30 Jahren zogen die Wanderfalken hier wieder erfolgreich insgesamt 83 Junge gross!

In anderen europäischen Ländern gilt der Umkreis von mindestens 1.0 – 1.5 km um die Brutplätze geschützter Greifvogelarten wie des Wanderfalken als absoluter Tabubereich, in dem keine Windkraftanlagen gebaut werden dürfen. Die fortschrittliche Schweiz täte gut daran, diese Regelungen ebenfalls umzusetzen.

Der Vogelschlag bei Windkraftwerken ist leider eine traurige Realität. Vögel nutzen oft die Gebiete mit Thermik. Sie sind jedoch nicht in der Lage, die Gefahr der schnell rotierenden Windräder zu erkennen.
Der Vogelschlag bei Windkraftwerken ist leider eine traurige Realität. Vögel nutzen oft die Gebiete mit Thermik. Sie sind jedoch nicht in der Lage, die Gefahr der schnell rotierenden Windräder zu erkennen.

Alle fünf geplanten Windgeneratoren liegen im kritischen Bereich von 1.5 km. Das Industrieprojekt würde diese einzigartigen Wanderfalkenstandorte mit grosser Wahrscheinlichkeit vernichten! Schon aus diesem Grund darf dieses Projekt nicht realisiert werden.

Leider scheint der im Herbst 2011 von den IWB installierte Messmast mit seinen vielen Abspanndrähten möglicherweise bereits einen negativen Einfluss ausgeübt zu haben: Erstmals seit der Rückkehr des Wanderfalken in das Gebiet von Burg vor 30 Jahren ist seit 2012 keine erfolgreiche Brut mehr zustande gekommen! Das ist äusserst schade, da dadurch eine einzigarte Erfolgsgeschichte zu Ende gegangen ist. Seltene und anspruchsvolle Wildtiere benötigen einen kompromisslosen Schutz, ansonsten droht ihr Aussterben.

Soll der mit Abstand produktivste Schweizer Brutplatz des spektakulären Wanderfalken, des schnellsten Jägers im Tierreich, ein paar flügellahmen und rein symbolischen Windrädern geopfert werden, die niemals nennenswert Strom produzieren werden? Sicher nicht! Bewahren wir uns die Möglichkeit, diesen fantastischen Jäger in freier und unverbauter Natur beobachten zu können.

Die äusserst seltenen Schwarzstörche sowie auch Wespenbussarde nutzen die Thermik der Challmatte um Höhe für den Weiterflug zu gewinnen (Bild: Alex Labhardt)
Die äusserst seltenen Schwarzstörche sowie auch Wespenbussarde nutzen die Thermik der Challmatte um Höhe für den Weiterflug zu gewinnen (Bild: Alex Labhardt)

Das Gebiet rund um den Chall mit seinen grossen ruhigen Wiesen bietet zudem vielen Seglern (Greifvögel, Störche etc.) gute thermische Aufwinde. Diese werden gerne genutzt um über die Jurakette zu gelangen oder um Höhe für den Weiterflug zu gewinnen. Dabei bilden die Rotoren von Windkraftanlagen ein tödliches Hindernis.

Die um die Windkraftanlagen kreisenden Vögel können die hohe Geschwindigkeit der Rotoren nicht einschätzen und können damit kollidieren. Viele seltene und streng geschützte Vogelarten würden dadurch stark bedroht und viele Vögel getötet.

Die umfangreiche Studie PROGRESS untersuchte den Einfluss von Vogelschlag auf die Populationen im Norden Deutschlands. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass 7% der Mäusebussarde pro Jahr durch Kollision mit einer Windkraftanlage ums Leben kommen. Beim bedrohten Rotmilan sind es 5%. Ein negativer Einfluss auf die Populationen ist zu erwarten.

Kontinentaler Vogelzug

Der jährliche Vogelzug entlang der Blauenkette vorbei am Chall ist ein spektakuläres Naturschauspiel (Bild: Marc Solari)
Der jährliche Vogelzug entlang der Blauenkette vorbei am Chall ist ein spektakuläres Naturschauspiel (Bild: Marc Solari)

Die nördlichste Jurakette des Blauen mit dem Chall bildet zwei Mal pro Jahr eine wichtige Leitlinie für hunderttausende von Zugvögeln in einer fantastischen Artenvielfalt. Die Beobachtungsstatistiken der ornithologischen Gruppen rund um den Chall lesen sich wie das "Who is Who" der europäischen Vogelwelt. Insbesondere der Übergang zwischen Burg und Röschenz mit seiner Trichterwirkung nach Nordosten sowie die thermikreiche Challmatte weisen erstaunlich viele Zugvögel auf.

Viele der Vögel ziehen dabei, auch bei Nacht, genau über das Areal des geplanten Windkraftwerkes. Tödliche Kollisionen mit Rotorblättern wären nicht zu vermeiden und würden viele Opfer fordern. Wie grosse Hindernisse wie Windkraftanlagen den Vogelzug als Ganzes beeinflussen können ist dabei noch nicht einmal untersucht worden.

Wertvolles Habitat für viele seltene Fledermausarten

Bisher wurden im Naturschutzreservat von Wolschwiller 13 verschiedene Fledermausarten nachgewiesen (Bild: l`Alsace)
Bisher wurden im Naturschutzreservat von Wolschwiller 13 verschiedene Fledermausarten nachgewiesen (Bild: l`Alsace)

Eine laufende Untersuchung mit Beteiligung des Office national des forêts (ONF) im Naturschutzreservat von Wolschwiller zeigt, dass das Gebiet rund um den Remel und Chall ein sehr wertvolles Habitat für eine Vielzahl von Fledermausarten darstellt. Bisher konnten hier bereits 13 verschiedene Fledermausarten nachgewiesen werden.

Die Tiere jagen hauptsächlich in der Dämmerung und nachts und fallen dabei den sich drehenden Rotorblättern zum Opfer. Da ihre Reproduktionsraten sehr gering sind kann schon der Verlust weniger Tiere die Populationen bedrohen.

Fledermäuse sind auch in der Schweiz streng geschützt. In einem wertvollen Habitat wie dem Chall ist daher ein Windkraftwerk nicht zu verantworten.

Die europäische Wildkatze

Die Wildkatze jagt zu 90% Mäuse im Wald und auf den offenen Wiesen im Jura. Sie ist durch die frühere Jagd äusserst scheu und lebt im Verborgenen.
Die Wildkatze jagt zu 90% Mäuse im Wald und auf den offenen Wiesen im Jura. Sie ist durch die frühere Jagd äusserst scheu und lebt im Verborgenen.

Die europäische Wildkatze (auch Waldkatze genannt) ist heute ein seltener und scheuer Bewohner unserer Höhen. Meist ungesehen von Spaziergängern lebt sie unbemerkt in unseren Wäldern. Das schweizerische Vorkommen der Art beschränkt sich auf das Mittelgebirge des Jurabogens. Die Blauen-und Remelkette und die Challhöchi bilden dabei sehr gute Wildkatzenhabitate.

Durch intensive Bejagung wurde die Wildkatze in der Schweiz um die Mitte des letzten Jahrhunderts entweder ganz ausgerottet oder bis auf letzte Einzeltiere dezimiert.

Seit den 1960er Jahren gibt es wieder Nachweise von Wildkatzen aus dem Schweizer Jura, die auf eine Einwanderung aus dem angrenzenden Frankreich hindeuten. Die Art ist streng geschützt. (Annexe II Berner Konvention, Art streng geschützt, ebenso wie ihr Habitat). Die Wildkatze gilt als sogenannte Leitart für natürliche und ungestörte Prozesse in der Waldentwicklung.

Schon der Umstand des Artenschutzes verbietet den Chall für ein Windkraftprojekt, da dadurch der Schutz dieser teilweise seltenen und streng geschützten Arten nicht mehr gewährleistet werden könnte. Durch die massive Bautätigkeit und die anschliessenden Fremdkörper würde auch die Wildkatze definitiv aus dem Gebiet verschwinden.

Rehe, Gämsen und Luchs

Der Luchs ist ein seltener Gast im Gebiet rund um den Chall, der auf massive Störungen mit Abwanderung reagiert
Der Luchs ist ein seltener Gast im Gebiet rund um den Chall, der auf massive Störungen mit Abwanderung reagiert

Auf der Challhöhe leben neben jagdbaren Rehen und Gämsen auch die in der Schweiz bedrohte Wildkatze, der Luchs und der Baummarder. Diese Wildtiere sind scheu und empfindlich auf Störungen durch Lärm, Verkehr und Bautätigkeiten.

Die Rotoren von Windgeneratoren erzeugen Lärm durch Windgeräusche und Infraschall. Pfeifgeräusche entstehen durch die Flügelspitzen, die sich mit bis zu 270 km/h durch die Luft bewegen können.

Die Flügel erzeugen zudem bei jeder Umdrehung niederfrequenten und Infraschall unterhalb 50Hz. Insbesondere Nachttiere wie Eulen und Fledermäuse, die sich mit dem Gehör orientieren, werden dadurch grossräumig stark gestört und verdrängt.

Im Gebiet rund um den Chall leben auch scheuen Gämsen, ein Fluchttier, das auf Bewegung und Schattenwurf reagiert.
Im Gebiet rund um den Chall leben auch scheuen Gämsen, ein Fluchttier, das auf Bewegung und Schattenwurf reagiert.

Durch den schnellen Schattenwurf der Rotoren entstehen "Negativ-Blitze", welche Fluchttiere und Kleinsäuger aufschrecken und durch permanenten Stress vergraulen.

Der immense Lärm, der beim Transport von zig 1000 Tonnen Beton für Fundamente und der grossen und schweren Komponenten der Windgeneratoren sowie beim Bau entsteht, würde sämtliche Wildtiere aus dem Gebiet vertreiben. Übrig bliebe eine entvölkerte und trostlose Industriewüste die keinen ökologischen Wert mehr hätte.

Wildtierkorridore von nationaler Bedeutung auf dem Chall

Zwei Wildtierkorridore von nationaler Bedeutung kreuzen sich auf dem Chall und machen dieses Gebiet zu einem Naturraum von besonderer Bedeutung (Quelle: BAFU WebGIS)
Zwei Wildtierkorridore von nationaler Bedeutung kreuzen sich auf dem Chall und machen dieses Gebiet zu einem Naturraum von besonderer Bedeutung (Quelle: BAFU WebGIS)

Wie wichtig die Blauenkette und besonders das Gebiet rund um den Chall für die Natur ist zeigt auch das WebGIS des Bundesamtes für Umwelt BAFU. Im Geografischen Informationssystem des BAFU wurden alle bekannten Wildtierkorridore und Wechsel erfasst, ausgewertet und klassifiziert.

Den Korridoren, die sich auf dem Chall kreuzen, kommt sogar nationale Bedeutung zu. Sie verbinden die Rheintalebene mit dem Faltenjura und bilden eine natürliche Leitlinie von Nordost nach Südwest für viele Züger und Zugvögel.

Ein Windkraftwerk auf dem Chall ist auch aus ökologischer Sicht absolut nicht zu verantworten und würde verschiedene Schutzgesetze der Schweiz grundlegend verletzen. Dieser Preis ist deutlich zu hoch für die geringe zu erwartende Stromausbeute!